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Messen auf eigene Gefahr: Normkonformität in der Messtechnik sicherstellen

Normkonformität, Messtechnik

Normen einzuhalten ist für eine zuverlässige Messtechnik essenziell. Besonders hervorzuheben ist dabei die DIN EN ISO 5459, die spezifische Vorgaben zur Tolerierung und zur Festlegung von Bezugssystemen macht. Seit Oktober 2024 ist die Neufassung der Norm ISO 5459 für Bezüge und Bezugssysteme offiziell in Kraft. Diese neue Fassung, die bisher ausschließlich in englischer Sprache verfügbar ist, bringt grundlegende Neuerungen mit sich, vor allem bei der Bezugsbildung. Diese Änderungen stellen Anwender:innen sowie Hersteller von Messtechnik und Softwarelösungen vor besondere Herausforderungen, die weit über das bloße Verstehen der neuen Festlegungen hinausgehen.

Präzisere Bezugsbildung für moderne Anforderungen

Die Berechnung von Bezugsflächen spielt eine entscheidende Rolle in der normgerechten Tolerierung und Auswertung geometrischer Merkmale. Bislang galt bei der Berechnung ebener Bezugsflächen die Zielfunktion nach Tschebyscheff/Minimax mit der Nebenbedingung des Außenmaterials als Standard. Dies wurde durch das Symbol [CE] dargestellt, das jedoch nicht explizit in Zeichnungen gekennzeichnet werden musste, da es als Default galt (s. auch PDF-Datei “Symbole, Abkürzungen und Benennungen für die Maß-, Form- und Lagetolerierung“)

Mit der aktuellen ISO 5459 wurde dieser Standard geändert. Nun erfolgt die Berechnung ebener, geschlossener Bezugsflächen standardmäßig mithilfe der Zielfunktion nach Gauß (kleinste Abweichungsquadrate) bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Außenmaterials. Dieses neue Standardverfahren wird durch das Symbol [GE] kenntlich gemacht.

Eine Ausnahme existiert jedoch für komplanare, unterbrochene Ebenen, wie beispielsweise kombinierte Bezüge (A-A oder A-B). Hier bleibt die ursprüngliche Zielfunktion nach Tschebyscheff/Minimax bestehen. Wichtiger Hinweis zu der Norm: Es darf keine Verwechslung mit dem Assoziationskriterium [G+] geben, da dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Die Unterscheidung beruht auf den jeweiligen mathematischen Prinzipien und Definitionen der Symbole.

Eine weitere wesentliche Neuerung der aktualisierten Norm ist die Einführung des morphologischen Hüllfilters [EM]. Dieser Ansatz berücksichtigt funktionale Anforderungen stärker und ermöglicht robustere, präzisere Ergebnisse. Durch seine anwendungsorientierte Analyse unterstützt der morphologische Hüllfilter die Optimierung der räumlichen Ausrichtung von Bauteilen.

Mit diesen und weiteren Änderungen stellt die ISO 5459 sicher, dass die Bezugsbildung den steigenden Ansprüchen in der Messtechnik gerecht wird. Das Verständnis und die korrekte Anwendung dieser Neuerungen sollten daher zum unmittelbaren Bestandteil der Qualitätssicherung werden. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Anforderungen ist unerlässlich, weil die Änderungen eine bessere Zusammenarbeit zwischen Konstruktion, Messtechnik und Qualitätssicherung ermöglichen.

Softwarekompatibilität als Herausforderung

Die Nutzung moderner Messsoftware ist heute fester Bestandteil der Qualitätssicherung. Die fortschreitende Normung bringt nicht nur fachliche Neuerungen mit sich, sondern stellt auch die Softwarekompatibilität in der Messtechnik vor Herausforderungen. Für Messtechniker stellt sich somit die Frage: „Ist mein Messsystem bereits auf dem neuesten Stand und wird es den aktuellen Normanforderungen tatsächlich gerecht?

Der erste Entwurf der überarbeiteten ISO 5459 wurde 2017 veröffentlicht und bot damals schon spannende neue Ansätze und Möglichkeiten für die Messtechnik. Der Besuch der Control 2025 zeigte auf, dass die Neuerungen der Norm noch nicht flächendeckend umgesetzt wurden, was der Branche zugleich eine wertvolle Gelegenheit zur Weiterentwicklung bietet. Es wird deutlich, dass die Umstellung auf neue Normen eine gewisse Zeit sowie eine klare Kommunikation erfordert.

Die Angleichung an die ISO 5459 schafft eine solide Basis für die Weiterentwicklung von Qualitätssicherungsprozessen und technologischen Standards. Hersteller und Nutzer:innen von Messtechnik und Softwarelösungen können durch eine frühzeitige Anpassung nicht nur eine präzisere Normenkompatibilität gewährleisten, sondern auch ihre Marktposition langfristig stärken.

Fazit: Qualität durch Kompetenz – Den Wandel aktiv gestalten

Die Neuerungen der ISO 5459 unterstreichen, wie entscheidend die Aktualisierung von Normen für eine präzise und funktionale Messtechnik ist. Sie beeinflusst die gesamte Zusammenarbeit zwischen Konstruktion, Fertigung und Qualitätssicherung. Allerdings zeigt die schleppende Einführung in vielen Bereichen, dass ein klarer Bedarf an Aufklärung besteht. Hersteller von Messsystemen, Anwender:innen und Qualitätssicherer müssen die Neuerungen konsequent in ihre Arbeit integrieren, wenn sie normgerechte Prüfungen und langfristige Qualität sicherstellen wollen. Frühzeitige Sensibilisierung und praxisnahe Schulungen sind der Schlüssel, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden und die Potenziale der Norm optimal auszuschöpfen.

Letztlich ist dies nicht nur eine Frage der Normerfüllung, sondern auch die der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der gesamten Industrie. Die Zukunft der Messtechnik steckt voller Potenziale und diejenigen, die frühzeitig handeln, profitieren nachhaltig vom Wandel und der technologischen Entwicklung.

 

Über den Autor:
Colin Jambé, Bachelor Professional ist seit 2019 DGQ-Trainer in den Bereichen Längenmesstechnik, ISO-GPS und Prüfmittelverwaltung tätig. Er arbeitet bei der Kostal Kontakt Systeme GmbH & Co. KG in Lüdenscheid. Seine Schwerpunkte liegen in der modernen 3D Messtechnik, der Zeichnungsprüfung sowie in der Moderation von Schulungen und Workshops. Zudem beschäftigt er sich intensiv mit den Normen und deren Anwendung in der Messtechnik.

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